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Im Stadtmuseum entdeckt: Der Stenz – Drei Jahre und ein Tag

Lehrbrief des Büchsenmachergesellen Rudolf Hengelhaupt aus Zella St. Blasii mit Darstellung eines Gesellen auf WanderschaftUm in einem Ort eine solch hohe Dichte an Handwerksbetrieben halten zu können, wie es in Zella und Mehlis bis ins 20. Jahrhundert der Fall war, bedarf es Handwerksmeistern in den Betrieben, um diese zu führen.
Vom Spätmittelalter bis hin zur Industrialisierung war es in den meisten Handwerksberufen üblich, wenn nicht gar Pflicht, dass Gesellen auf die Walz, also auf Wanderschaft gingen. Voraussetzung hierfür war, dass der Geselle ledig und schuldenfrei war, keine Vorstrafen hatte und einen Gesellenbrief besaß.

Trat ein Geselle diese Reise an, so war er für die Dauer der Reise fremdgeschrieben und es war ihm nicht gestattet seinen Heimatkreis zu betreten. Dauer und Umfang konnten von Zunft zu Zunft variieren, betrugen aber in der Regel Drei Jahre und einen Tag, sowie einen Bannkreis von 50 Kilometern um den Heimatort. Die Fremdgeschriebenen sollten somit gezwungen werden, ihre Reise als praxisnahe Lebensschule zu absolvieren um dadurch Erfahrungen zu sammeln und neue Herstellungs- und Arbeitsweisen zu erlernen.
Auf ihrer Reise trugen sie stets ihre Kluft, die übliche Kleidung der Zunft, ihr Charlottenburger, ein Tuch mit dem Maß einer Elle im Quadrat, in welchem sich Kleidung und Werkzeug befanden, sowie ihren Stenz.
Wanderstab eines Gesellen aus einem verwachsenen Ast gefertigt und Wanderbuch mit zahlreichen StempelnDer Stenz ist ein Wanderstab. Welcher vom Träger selbst gesucht und geschnitzt wird und charakteristisch eine verdrehte und verwundene Form hat. Als Solches wird der Stenz für das Tagwerk des Handwerkers nicht benötigt. Dennoch ist er als Wanderstab und individuelles Objekt ein starkes Sinnbild für die Wanderschaft und individuellen Erfahrungen und Charaktere der Fremdgeschriebenen.

Kam ein Fremdgeschriebener zurück von der Walz, so konnte er in seiner Heimatgemeinde Meisterschaft beantragen und sein Meisterstück durch die Innung abnehmen lassen. Hatte er die Meisterschaft erlangt, konnte er sich als Bürger ins Bürgerbuch der Stadt eintragen lassen und heiraten. Dieser Vorgang war die Voraussetzung, um die Erlaubnis zu erhalten, einen eigenen Betrieb zu eröffnen und somit wiederum Gesellen auszubilden.
Aus der Expertise und der Tradition dieser Wandergesellen und späteren Meister entwickelte sich über die Jahrhunderte die wirtschaftliche Stellung unseres Ortes. So finden sich beispielsweise im Verzeichnis über Gewerbetreibende der Stadt Zella St. Blasii im Jahr 1913 elf Gewehrfabriken, zehn Graveure, vier Schmiede, sieben Tischlereien und zahlreiche weitere Handwerksbetriebe. (cb)